Am gestrigen Donnerstag wurde auf der Bühne des Reichshofs eine bemerkenswerte Premiere gefeiert: Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“, mittlerweile stolze 113 Jahre alt, wurde in einer modernen Inszenierung präsentiert. Ursprünglich am 01. Dezember 1911 in Berlin uraufgeführt, ist „Jedermann“ seit 1920 der traditionsreiche Auftakt der Salzburger Festspiele und gilt als eines der bedeutendsten Werke des deutschsprachigen Theaters. Die Thematik des Stücks ist zeitlos: Es erzählt von Menschen, die glauben, mit Geld alles kaufen zu können, sogar das ewige Leben – doch am Ende scheitern sie daran. Vielleicht liegt genau in dieser universellen Botschaft der Schlüssel zum anhaltenden Erfolg des Stücks.
Regisseur Nicolai Tegeler wagte eine mutige Neuinterpretation und versetzte den „Jedermann“ in die Gegenwart. Das minimalistische Bühnenbild ließ den Schauspielerinnen und Schauspielern Raum zur Entfaltung, während die zeitgenössischen Kostüme das Publikum geradezu in die Handlung hineinziehen. Besonders in der Szene der Tischgesellschaft, in der eine ausgelassene Feier dargestellt wird, entsteht das Gefühl, Teil des Geschehens zu sein. Die intime Atmosphäre des Reichshofs, wo nicht nur auf der Bühne, sondern auch an anderen Orten des Saals gespielt wird, verstärkt diese Nähe zum Geschehen zusätzlich.
Ein weiteres Merkmal dieser Inszenierung war der kreative Einsatz von Bild- und Toneffekten, der das klassische Drama in ein multimediales Erlebnis verwandelte. Die Kombination aus Live-Musik und visuellen Elementen trug dazu bei, dass der „Jedermann“ sich frisch und zeitgemäß anfühlte, ohne den Respekt vor Traditionellem zu verlieren.
Interessanterweise blieb die Sprache des Originals unverändert, als bewusste Hommage an Hofmannsthals präzise Wortwahl. Der Text, der sieben Jahre bis zu seiner Vollendung benötigte, fügte sich erstaunlich gut in das moderne Setting ein. Trotz des altertümlichen Sprachstils war die Botschaft für alle Zuschauer klar und eindringlich: „Wir kommen mit nichts und gehen mit nichts.“ Diese zeitlose Weisheit wurde im Reichshof auf eindrucksvolle Weise in Szene gesetzt.
Mit dieser Inszenierung gelang es Nicolai Tegeler, die altehrwürdige Geschichte von „Jedermann“ in die Gegenwart zu holen und mit frischen Impulsen zu bereichern – ein Theaterabend, der dem Publikum gefiel.
Bayreuther Statisten
Rund zehn Mitwirkende aus Bayreuth und der Region finden sich auf der Reichshof-Bühne beim „Jedermann“: An jedem Spielort bindet der Regisseur gerne lokale Schauspielerinnen und Schauspieler mit ein – oder auch Musiker, wie Charles Johnson. Den Sänger kennen viele Bayreuther aus Chören und Bands, bundesweite Bekanntheit erlangte er durch seine Teilnahme an „The Voice of Germany“ im vergangenen Jahr. „Für mich ist es eine tolle Herausforderung, ich habe vorher noch nie Theater gespielt“, freut sich Johnson über das Engagement. Und es sei für ihn perfekt, weil er Theatererfahrung für seine berufliche Zukunft sammeln möchte, die auch Richtung Musical gehen soll. Andere Komparsen wiederum sind dem regionalen Theaterpublikum bestens bekannt, ob aus der Studiobühne, vom Brandenburger Kulturstadl oder der Naturbühne Trebgast. Dazu gehören unter anderem Nadine Badewitz, Klaus Meile, Lisa Friedrich oder Ralf Gawlik.