Seine erste Begegnung mit Wagner hatte Uwe Hoppe in seinem Musikwissenschaftsstudium. Vier Ring-Inszenierungen mussten sie sich damals anschauen, ganz harter Tobak, wie er fand. Doch die kreativen Köpfe ersannen gleich ein Projekt: eine 20-minütige Ring-Parodie, die sie zum Besten geben könnten. Aus der studentischen Idee wurde nichts, doch sie ließ Uwe Hoppe nicht los. Er kam nach Bayreuth, sah, dass es Bedarf gibt, und siegte. Doch der Reihe nach:
Anfang der 1980er Jahre gab es außer den Festspiel-Aufführungen und ein paar wenigen Konzerten an spielfreien Tagen kein Rahmenprogramm in der Stadt. Perfekter Nährboden für Hoppes Vorhaben. Das Schützenhaus sollte die passende Bühne bieten, nah am Festspielhaus, groß genug. Doch kurz vor Probenbeginn hieß es: Wir renovieren, das wird leider nichts. Die Journalistin Monika Beer brachte die Idee ins Spiel, die Steingraebers ins Boot zu holen. An einem wie Hoppe sagt recht langen und feuchtfröhlichen Abend unter Freunden wurde aus der Idee ein erster Plan, das Hoftheater im Palais in der Friedrichstraße einzurichten. Genauer gesagt dem „Friedhof der reparaturbedürftigen Klaviere“, einer Art Lager, in dem die Steingraebers defekte Instrumente aufbewahrten (der heutige Flügelsaal). Das war aber doch immer noch nicht das Richtige – bis der Innenhof ins Gespräch kam. Gesagt, getan: Die Ring-Parodie ging 1982 in die Produktion. „Wir probten bis in die Morgenstunden, so mancher fuhr direkt aus dem Hoftheater auf die Arbeit“, erinnert sich Hoppe. „Am Bühnenbild haben wir noch eine Viertelstunde vor Premierenbeginn gearbeitet.“
Die Premiere dauerte eine halbe Stunde länger als geplant. Weil das Publikum – darunter rund zehn Sängerinnen und Sänger vom Hügel – so lange und laut lachte und vor Begeisterung schrie. Diese Begeisterung ergriff auch die Medien: Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Paris, in der New York Times, in Japan oder Antwerpen berichtete man von Uwe Hoppes Wagner-Coup. Das ging so weit, dass das Ensemble in die Deutsche Oper nach Berlin geladen wurde, um dort vor und nach der Premiere von Götz Friedrichs Ring im Foyer zu spielen. 100 Leute wurden erwartet, über 400 kamen zu den Vorstellungen.
Die Geschwister Alban und Fanny Steingraeber waren noch nicht auf der Welt, als die Erfolgsgeschichte des Hoftheaters begann. Doch sie sind damit aufgewachsen. „Mit vier, fünf Jahren hatte ich zugegebenermaßen Angst, es war so laut und dunkel“, erinnert sich Alban. Doch später waren die beiden bei den Proben und auch bei sehr vielen Aufführungen dabei. „,Hojotoho!' habe ich sicherlich an die 50 Mal gesehen“, erzählt Fanny begeistert. Damals lagen direkt vor der Bühne Turnmatten, auf denen man es sich bequem machen und die Aufführung verfolgen konnte. Die beiden Junior-Chefs der Klaviermanufaktur werden in Zukunft auf jeden Fall am Hoftheater festhalten. „Für uns ist das einfach seit unserer Kindheit der Startschuss in den Sommer, wenn das Publikum in Bayreuth internationaler und das Wetter besser wird“, sagt Fanny. „Schon im Mai, wenn die Proben beginnen, macht sich eine kribbelige Vorfreude breit.“ Dem kann ihr Bruder nur zustimmen: „Das Haus muss leben, und dazu trägt das Hoftheater perfekt bei, von den einzigartigen Stücken ganz abgesehen.“
Bühne, Tribünen fürs Publikum, Beleuchtung, Backstagebereich: Das Hoftheater ist jedes Jahr auch ein organisatorischer Aufwand, der gestemmt werden muss. „Wir stellen das Theater einfach in den Innenhof“, erklärt Uwe Hoppe. „Die Steingraebers mussten nichts anschaffen, alles kommt von der Studiobühne.“ Nur wenn es mal Reparaturarbeiten wie an der Grundbeleuchtung am Dach gibt, spricht man sich ab, damit am Ende jeder zufrieden ist.
Nach seinem Liebling unter den mittlerweile rund 15 Produktionen gefragt, nennt Uwe Hoppe – im Einklang mit den Steingraeber-Geschwistern – „Leubald“, ein „schrilles Spiel von Liebe, Rache und Erlösung“, wie es auf der Website der Studiobühne heißt. Das sehr frühe Werk Richard Wagners – er war erst 14 Jahre alt, als er es verfasste –, ein Drama, war über 150 Jahre verschollen. 1988 wurde es in der Festspielzeitung zum ersten Mal veröffentlicht, und Uwe Hoppe direkt vom damaligen Pressechef des Festspielhauses, Matthias Theodor Vogt, vorgelegt mit den Worten, das müsse er inszenieren. Und so kam es, dass die Uraufführung des Stücks im Hoftheater im Steingraeber-Palais stattfand, die einzige Wagner-Uraufführung des 20. Jahrhunderts. Seitdem wird „Leubald“ in regelmäßigen Abständen aufgrund seiner Beliebtheit wieder aufgenommen, auch in dieser Saison.
42 Jahre, 15 Produktionen, unzählige mehr oder weniger prominente Gäste, nicht einmal eine Pandemie-Pause (da gab es Solostücke mit genügend Abstand im Publikum): Das Hoftheater bei Steingraeber kann mit Fug und Recht als eine Bayreuther Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Weiter gehen soll es, solange der Beweggrund Nummer eins (laut Udo Steingraeber) da ist: absoluter Spaß am Projekt und an der Zusammenarbeit. Und dieser scheint noch lange nicht auszugehen.