BAYREUTH. Bloß nicht ohne Video-Einspielung, muss sich Regisseur Tobias Kratzers gedacht haben, als er daran ging, die Oper „Tannhäuser“ in Bayreuth szenisch zu entwickeln. „Die bewegten Bilder auf der Leinwand werden umfangreich sein, dass man fast die Musik vergisst“, scherzte der Regisseur im Vorfeld. Und er sollte teilweise recht behalten: Die Videoclips zeigen eine ergänzende Geschichte zum Bühnengeschehen, die Aufmerksamkeit verlangt. Die Ouvertüre erklingt, der Vorhang geht auf. Bis zu Beginn des ersten Aktes sind Venus mit Tannhäuser und die Mitglieder ihrer Lebensgemeinschaft im Film zu sehen. Sie entfliehen der Wartburg und landen im Märchenwald bei Zwergen und Frau Holle. Mit einem ganz klaren szenischen Wechsel präsentiert sich der zweite Akt. Der Opernbesucher bekommt die klassische Burganlage zu sehen. Durch die konträren Bilder geht der Regisseur auf die unterschiedlichen Lebensformen der beiden Frauen, Venus und Elisabeth, ein – auf der einen Seite schrill, unkonventionell, auf der anderen Seite bürgerlich und angepasst. Katharina Wagner lobte die Arbeit des Tannhäuser-Regisseurs Tobias Kratzer bereits im Vorfeld als extrem spannende und witzige Neuinszenierung. Fassungsmäßig bleibt man beim Alten, genauer: bei der alten, nämlich der „Dresdner Fassung“ des Werks – aus dramaturgischen Gründen. Das Bayreuther Festspielhaus wird – wie in Herheims „Parsifal“-Inszenierung oder den laufenden „Meistersingern“ – auf der Bühne sichtbar. „Das Außergewöhnliche des Orts, isoliert von der Stadt auf einem Hügel, gleich einer (Wart)Burg, zu der die Besucher pilgern , ist in die Inszenierung aufgenommen“, so der Regisseur. Auch die Original-Wartburg, dort treten bekanntlich bedeutende Minnesänger im Sängerkrieg gegeneinander an, und die weitläufigen bewaldeten Hügel der Region, sind in einer längeren Videoeinspielung zu sehen. Zwischen dem 1. und 2. Akt gibt es ein Intermezzo an einer „Gegenspielstätte“, am „Tümpel“ (O-Ton Kratzer) des Festspielparks: auch für die, die keine Karten für die Vorstellung besitzen. Wie der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Bernd Sibler, am Vorabend der Eröffnung bei einem Festakt im Festspielhaus zu Ehren des langjährigen Intendanten Wolfgang Wagner, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, scherzhaft erklärte, kann der Besucher auch künftig nicht damit rechnen, ein angenehm klimatisiertes Festspielhaus zu betreten – das lässt der unter Denkmalschutz stehende Bau und dessen Akustik einfach nicht zu. Nach den Festspielen ist vor den Festspielen Neben der Neuinszenierung gab es am Tag vor der Premiere im Rahmen eines Pressegespräches einen Ausblick: Wir wissen jetzt, wer 2020 den nächsten „Ring“ inszeniert. Es wird kein Team von vier Frauen sein, auch die Festspielleiterin Katharina Wagner wird keine Hand an den nächsten „Ring“ legen (wie schon in der Presselandschaft geraunt wurde). Der nächste Regisseur der Tetralogie heißt Valentin Schwarz. 2017 gewann er zusammen mit dem Bühnenbildner Andreas Cozzi, der auch in Bayreuth dabei sein wird, den ersten Preis des renommierten „Ring Award“. Am Pult wird Pietari Inkinen stehen, der als Chefdirigent der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken, des Japan Philharmonic Orchestra und anderer Ensembles bekannt wurde. Neben dem „Ring“ wird es wiederum eine Aufführung von Beethovens 9. Symphonie geben. In diesem Jahr steht die nunmehr dritte „Diskurs“-Reihe auf dem Programm. Zum 150. Geburtstag Siegfried Wagners wird im ehemaligen Reichshof-Kino das Zweipersonenstück „Siegfried“ aus der Taufe gehoben: „ Wir wollten ihn als einen mächtigen Magier darstellen “, sagte Feridun Zaimoglu, einer der Autoren des Theaterstücks. Ebenso neu, zumindest für Bayreuther Ohren, werden die Werke von John Cage und Pierre Boulez, auch von Rossini sein, die in den Diskurs-Konzerten in Wahnfried das musikalische Spektrum der Festspielzeit vergrößern. pio