Der polnische Bass-Bariton Tomasz Konieczny gehört zu den weltweit bekanntesten und geschätzten Wagner-Sängern. In Bayreuth wird er seit 2018 als Solist gefeiert – zunächst als Friedrich von Telramund im „Lohengrin“, seit letztem Jahr in der Rolle des Wotan im „Ring des Nibelungen“. Inbayreuth.de sprach mit ihm über Bayreuth – und Sopot, das Bayreuth des Nordens.

Herr Konieczny, Sie singen nun seit sechs Jahren in Bayreuth, Sie sind aber auch an der Wiener Staatsoper, in Mailand oder an der MET zu hören – ein Weltsänger sozusagen. Ist Bayreuth ein besonderer Ort für Sie? Wenn ja, warum?
Mein Debüt am Grünen Hügel war 2018 in der Produktion von Lohengrin, wegen der Pandemie ist es nun meine fünfte Spielzeit hier. Ich sehe mich nicht als Star. Ich versuche, das Beste aus einem Beruf zu machen, der mir am Herzen liegt. Meine Leidenschaft gilt der Musik Wagners, und ich betrachte das Singen der Rollen des Holländers und des Wotan als meine Lebensaufgabe. Als Pole bin ich stolz darauf, die Rolle meines Lebens, den Wotan, vor diesem besonderen, absolut elitären und anspruchsvollen Bayreuther Publikum zu singen.

Die Rolle Ihres Lebens ist Wotan, Sie haben aber natürlich schon auch viele andere Opernfiguren verkörpert. Gibt es eine Rolle, die Sie einmal im Leben singen wollen würden, es aber bisher nicht getan haben?
Es gibt viele Rollen, die ich in meinem Leben noch gerne singen würde. In der kommenden Saison werde ich zum Beispiel mein Debüt an der Amsterdamer Oper in der Rolle des Boris Godunow geben. Es gibt mehrere slawische Partien, die mich sehr reizen, zum Beispiel die Titelrolle in Rachmaninoffs Aleko. Außerdem reife ich langsam in der Entscheidung, in die Rolle des Hans Sachs in Wagners Meistersinger zu schlüpfen. Und es gibt eine Menge italienischer Partien, die ich noch nicht gesungen habe, aber sehr gerne singen würde. Ich weiß nicht, ob ein Leben dafür ausreicht. Aber man muss es versuchen.

Was ist Ihr Lieblingsort in Bayreuth? Wo verbringen Sie Ihre Freizeit zwischen den Proben und den Aufführungen?
Ich besuche das Mann‘s Bräu ziemlich oft. Ich genieße dort natürlich vor allem Schäufele und auch andere Spezialitäten. Wenn ich in Bayreuth singe, wohne ich bei einem befreundeten Sänger in Altdrossenfeld, von dem ich sein schönes Bauernhaus miete. Ich fühle mich dort sehr wohl. Die ländliche Atmosphäre gefällt mir sehr gut und auch die Entfernung zum Festspielhaus ist perfekt, um mit dem Fahrrad zu den Proben zu fahren. Ich kaufe gerne in der Metzgerei in Trebgast ein und bin oft Gast im Gasthaus Fuchs in Waldau mit seinen hervorragenden Forellen. Ich finde es sehr schade, dass solche Betriebe vom Aussterben bedroht sind. Sie haben immer kürzer geöffnet, meist nur von Donnerstag bis Samstag oder Sonntag. Offenbar sind die jungen Leute nicht scharf auf das Geschäft und wandern in größere Städte ab. Das bedaure ich wirklich sehr.

Wenn Sie in Bayreuth etwas ändern könnten – was wäre das?
Ich fände es gut, wenn man als Kunde in mehr Geschäften und Restaurants mit anderen Zahlungsmitteln als Bargeld bezahlen könnte. Es ist ein absoluter Anachronismus in der heutigen Zeit, dass es vielerorts nicht möglich ist, mit Kredit- oder Debitkarten zu bezahlen.

Hören Sie in Ihrer Freizeit auch Oper? Wer sind Ihre Lieblingsmusiker?
Ich gehe auch als Zuschauer in die Oper, und ich höre gerne ganz allgemein Musik. Allerdings bin ich kein Fan von Aufnahmen, ich betrachte sie eher als eine Art Dokumentation. Ich bevorzuge definitiv Live-Musik. Ich liebe zum Beispiel Jazz, aber ich habe keine besonderen persönlichen Vorlieben. Ich mag einfach gute Musik.

Sie und Piotr Beczala, Sie waren die ersten polnischen Sänger, die in Hauptrollen in Bayreuth aufgetreten sind. Kennen Sie in Polen junge Talente, die Ihrer Meinung nach den Weg nach Bayreuth finden könnten?
Es gibt sehr viele sehr talentierte polnische Solisten, die es unbedingt verdienen, von der Welt gehört zu werden. Erst vor wenigen Tagen hat ein polnischer Tenor der jungen Generation, Dominik Sutowicz, in Bayreuth vorgesungen und wird am 24. Juli an der Waldoper in Sopot im Rahmen des Baltic Opera Festival, das ich künstlerisch leite, die Rolle des Erik in Wagners „Der Fliegende Holländer” singen. Dank der Leitung der Bayreuther Festspiele konnten wir mehrere Proben für diese Produktion hier vor Ort abhalten. Das ersparte mir als Darsteller der Titelrolle in der Sopot-Produktion die Reise nach Polen zu den Proben. Bei dieser Gelegenheit hat Dominik auch in Bayreuth spontan vorgesungen. Ich kann alle jungen Künstler nur ermutigen, auch hier in Bayreuth ihr Talent zu zeigen. Wagner beißt nicht. Wagner ist schön und äußerst großzügig.

Im Juli findet im polnischen Sopot das Baltic Opera Festival zum zweiten Mal statt, ein Festival-Projekt, das Sie ins Leben gerufen haben und dem Sie als Künstlerischer Leiter vorstehen. Was war die Idee dahinter?
Die Idee des Baltic Opera Festivals stammt aus der Zeit der Pandemie, als es einfacher war, unter freiem Himmel aufzutreten als in einem geschlossenen Raum. Deshalb steht auch die Waldoper in Sopot als eine außergewöhnliche polnische Spielstätte im Fokus, vor dem Krieg auch als das Bayreuth des Nordens bekannt. Vom 20. bis 25. Juli 2024 werden wir im Rahmen der zweiten Ausgabe unseres internationalen Opernfestivals dank der Unterstützung des polnischen Kulturministeriums und des polnischen Kraftstoffriesen Orlen fünf Opernveranstaltungen und ein Sonderkonzert mit dem Titel Solidarity&Freedom an der Crist-Werft in Gdynia präsentieren. Das diesjährige Festivalorchester ist das Ukrainian Freedom Orchestra, das auf Initiative der beiden Manager Peter Gelb (Metropolitan Opera) und Waldemar Dąbrowski (Teatr Wielki Opera Narodowa) gegründet wurde. Die künstlerische Leiterin dieses einzigartigen Orchesters ist Keri-Lynn Wilson, eine kanadische Dirigentin mit ukrainischen Wurzeln.
Es ist nicht einfach, in Polen ein großes Opernfestival auf die Beine zu stellen, aber die prächtige Waldoper in Sopot, die mehr als fünftausend Zuschauern Platz bietet und über eine erstaunliche natürliche Akustik verfügt, ist wirklich umwerfend. Ich bin überzeugt, dass dieses Festival die Chance hat, sich in Zukunft auf dem internationalen Opernmarkt einen richtigen Namen zu machen. Danzig und die gesamte polnische Dreistadt haben ein enormes Potenzial. Hier ist die Wiege der Freiheit und der Solidarität in Europa.

Wie war die Resonanz?
Die internationale Presse hat in Superlativen über das erste Baltic Opera Festival berichtet. Die Menschen waren von der ersten Ausgabe des Festivals sehr beeindruckt. Wer eine Opernaufführung in der Waldoper in Sopot besucht, sieht sofort, dass diese Spielstätte nicht ohne Grund seit ihrer Gründung im Jahr 1909 der Oper als Genre gewidmet wurde und es bleiben sollte. Hier entsteht eine außergewöhnliche und sehr natürliche Synthese und Symbiose von Natur, Musik, Kunst und menschlichem Gesang. In dieser Einrichtung geschehen wahrhaftig Wunder.

Vielen Dank für das Interview und toi toi toi!

Interview: Magdalena Aderhold