Dem relativ kalten Winter 2024/25 und den teilweise idealen Voraussetzungen vor allem an der Ochsenkopf-Nordabfahrt zum Trotz: Viele Skilifte, auch in Nordbayern, stehen vor dem Aus. In Deutschland gibt es – noch – circa 500 Skigebiete, 1200 Schlepplifte und mehr als 200 Seilbahnen, von denen 80 Prozent in Sommer und Winter genutzt werden.
Viele, vor allem niedrig gelegene Anlagen sind allerdings bedroht, andere haben bereits dichtgemacht. Eine Forschungsgruppe der Uni Bayreuth hat die mutmaßliche Entwicklung der natürlichen Schneedecke in Hochgebirgsskigebieten auf der ganzen Welt untersucht. 13 Prozent der Gebiete könnten demnach im Jahr 2100 ihre natürliche Schneedecke vollständig verloren haben.
Gravierend sind die Aussichten für die Mittelgebirge, in denen Skilifte schon in naher Zukunft der Vergangenheit angehören könnten. Ein Blick ins Fichtelgebirge: Hier zeigt sich, wie wichtig der Skisport für die Identität eines Ortes sein kann und welche Folgen es hat, wenn sich Betreiber eingestehen müssen, dass es nicht mehr weitergeht. Längst können Kinder das Skifahren nicht mehr auf dem Haus-Hang lernen, sondern müssen mit den Eltern in höhere Alpenregionen reisen. Damit wird der Wintersport immer mehr zum Luxusgut, oder: Wie es ist, wenn ein Volkssport stirbt.
Zwei Hänge im Fichtelgebirge machen noch eine Ausnahme: Der Klausenlift in Mehlmeisel und die Nordabfahrt am Ochsenkopf konnten und können in diesem Winter relativ gut genutzt werden, weil sie künstlich beschneit werden. Deshalb zieht Andreas Munder, Geschäftsführer der Tourismus & Marketing GmbH Ochsenkopf, eine durchweg positive Bilanz für diesen Winter.
Zwar sei der Schnee zwei Wochen zu spät gekommen, weshalb auch das so wichtige Weihnachtsgeschäft für die Region ins Wasser gefallen sei. Ab Ende Dezember sei es besser geworden. Mit dem Schnee und den kühlen Temperaturen habe man auch das gesamte Wintersportangebot auch mit Langlauf und Schneeschuhwanderungen besser darstellen können. „Mit den Winterferien kam im Februar die Sonne dazu. Seitdem ist die Auslastung bei den Gastronomen und Gastgebern gut bis sehr gut”, betont Munder.
Seit zwei Wochen gleicht das Fichtelgebirge einem Wintertraum. Gut präparierte Hänge, eine in höheren Lagen verschneite Landschaft, strahlender Sonnenschein und kühle Temperaturen haben einen wahren Run auf die Ochsenkopfabfahrt ausgelöst. „Hier ist echte Wintersport Stimmung. Da fühlen sich dann auch die Urlaubgäste wohl.”
Auch der Klausenhang in Mehlmeisel ist heuer gut frequentiert. Bürgermeister Franz Tauber (Freie Wähler) schätzt, dass man allein in dieser Saison bis zu 70.000 Kubikmeter Schnee auf die Piste geblasen hat.
Dass die Gemeinde die drei Schlepplifte weiter betreiben kann, verdankt sie einer Beschneiungsanlage aus dem Jahr 2004. Dass an vielen Tagen aufgrund der Plusgrade an Skifahren nicht zu denken ist, stört Tauber nicht. Er will sogar in noch effizientere Schneekanonen investieren. Vor zehn Jahren waren die Lifte noch etwa 100 Tage pro Saison geöffnet, jetzt sind sie es nur noch die Hälfte. Und der künstliche Schnee kostet etwa 1300 Euro pro Tag.
Der Bürgermeister ist überzeugt, dass es in den nächsten Jahren weiterhin genügend Frosttage gebe, auch wenn das Skigebiet am höchsten Punkt nur auf 815 Metern liegt. Die Gemeinde braucht die Einnahmen aus dem Liftbetrieb. Tauber: „Wir haben kaum Gewerbe.“ Und ohne Gewerbe keine Steuereinnahmen. Das Geld, das durch den Lift verdient wird, sei fest im Haushalt verplant.
Alternativen sind in Zeiten des Klimawandels gefragt – zum Beispiel Wanderungen. Vor einem Jahr gab es den 5. Deutschen Winterwandertag im Fichtelgebirge. „Das Interesse am Winterwandern wird zunehmen, es ist die perfekte Alternative zum Skisport“, sagt Jens Kuhr vom Deutschen Wanderverband (DWV). Auch Andreas Munder bestätigt, dass Winterwandern rund um den Ochsenkopf mittlerweile einen hohen Stellenwert erreicht habe.
Die alternativen Wintersport- und Gesundheitsangebote in heilklimatischer Umgebung hätten sich bewährt. 2018 fand der Deutsche Winterwandertag schon einmal in der Ochsenkopf-Region statt, 2500 Menschen nahmen damals teil. In diesem Jahr gehören mehr als 60 Wandertouren zum Programm.
Maximilian Witting, Wissenschaftler an der LMU-Universität München mit Schwerpunkt Klimawandel und Wintersport, sagt: „Gerade die Orte und Regionen der Mittelgebirge müssen sich darauf einstellen, dass die Voraussetzungen für Wintersport sich weiter verschlechtern werden. Die Schneefallgrenze steigt, und das wird fortschreiten. Schneereiche Winter wird es zwar weiterhin geben, aber sie werden deutlich seltener auftreten.“
Neben den Skienthusiasten gebe es laut Wittig auch Gäste, die dem Ort oder der Region sehr treu seien. „Die sind eher bereit, sich auf andere Aktivitäten wie Wandern oder Mountainbiken einzulassen oder zu einem späteren Zeitpunkt, bei besseren Wintersportbedingungen, zu kommen.”
Außerdem gebe es eine Gruppe, denen Nachhaltigkeit und Klimaschutz wichtig seien, und die keinen Wintersport mehr ausübten. Diese Gruppe werde in Zukunft womöglich wachsen. „Es hängt vom Gästetyp ab und von der jeweiligen Region, was man anbietet, um den Naturraum touristisch zu nutzen.
Das komme es darauf an, welche Rolle der Wirtschaftsfaktor Tourismus für die Region insgesamt spiele und wie viel die Region bereit beziehungsweise in der Lage ist, in Alternativen zu investieren, betont der Experte.