Kaum schließen sich in Bayreuth die Türen des Festspielhauses auf dem Grünen Hügel, geben sich Stars der barocken Musik in der Stadt die Klinke in die Hand: Im Markgräflichen Opernhaus, aber auch in der Schlosskirche, in der Kirche in St. Georgen oder in der Eremitage finden vom 5. bis zum 15. September Opern, Konzerte und Festmahle ganz im Sinne der Markgräfin Wilhelmine statt. Für Dr. Clemens Lukas, Geschäftsführer von Bayreuth Baroque, ist es ein „Privileg, dieses Festival in unserem Opernhaus ausrichten zu dürfen“.
Den Anfang macht traditionell eine Oper. Dieses Jahr fiel die Wahl auf „Ifigenia in Aulide“ des italienischen Komponisten Nicola Antonio Porpora. „Mit dieser Inszenierung werden wir wieder unserer Idee gerecht, ungespielte oder selten gespielte Werke auf die Bühne zu bringen“, erzählt Lukas. Porpora sei zu seiner Zeit ein berühmter Komponist gewesen, doch im Gegensatz zu Händel oder Bach geriet er nach einiger Zeit in Vergessenheit, völlig zu Unrecht, wie der künstlerische Leiter Max Emanuel Cencic überzeugt ist. Die aufwändige Produktion wird insgesamt vier Mal im Markgräflichen Opernhaus aufgeführt, am 5., 7., 13. und 15. September.
Die zweite Oper ist eine Deutschlandpremiere: Antonio Vivaldis „Orlando Furioso“ wird am 10. und 11. September ebenfalls im Markgräflichen Opernhaus zu sehen sein. Darüber hinaus finden insgesamt sieben Konzerte, ein Gala-Dinner, ein Gala-Lunch und zwei Brunches statt, bei denen die Gäste wie zu Zeiten der Markgräfin speisen können. Wer einen Einstieg in barocke Musik sucht, dem empfiehlt Clemens Lukas das Lunch-Konzert am 9. September. „Eine halbe Stunde wunderbare Cembalo-Musik im Sonnentempel und danach Genuss – das ist perfekt für den Anfang.“ Überhaupt seien alle Konzerte in den Kirchen „wunderbare Entdeckungsreisen“ durch die barocke Musik. Für einige Aufführungen gibt es noch Restkarten, wer möchte, kann sich auch für die ausverkauften Veranstaltungen über die Website des Festivals auf eine Warteliste setzen lassen.
Ein Wunsch aus München
Den Anstoß zum Festival gab Markus Söder 2018 bei der Wiedereröffnungsfeier des Opernhauses. „Es wäre schön, wenn wir hier auch ein richtiges Barock- Festival hätten“, soll er gesagt haben, und auch von anderen Kabinettsmitgliedern der Landesregierung wurden Stimmen nach einem solchen Event laut. Clemens Lukas organisierte damals den musikalischen Rahmen für die ersten Abende im Opernhaus nach der Renovierung und engagierte für eine Opernproduktion unter anderem den Countertenor Max Cencic. Und so kam es, dass die beiden beschlossen, die Idee aufzugreifen. Sie gingen auf Geldersuche, gründeten eine Gesellschaft und schafften es innerhalb von zwei Jahren, ein Festival auf die Beine zu stellen, das sofort in der internationalen Opernwelt für Furore sorgte. Wichtige Möglichmacher zu Beginn waren die Stadt Bayreuth mit Kulturreferent Stegmayer, die Oberfrankenstiftung und der Kulturfonds Bayern. Bis heute ist Cencic künstlerischer Leiter des Festivals und steht außerdem bei verschiedenen Produktionen selbst auf der Bühne, dieses Jahr in der Rolle des Agamennone in „Ifigenia in Aulide“.
Wichtiger Faktor für Bayreuth
Apropos Gelder: Die Kritik mancher Bayreuther Bürgerinnen und Bürger, das Festival würde zu viel Geld von der Stadt bekommen, möchte Clemens Lukas nicht auf sich sitzen lassen. „Für jeden Euro, den die Stadt bezuschusst, geben Produktion und Gäste über 9 Euro in der Stadt aus“, erklärt er. Und damit sei das Festival ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Bayreuth. Außerdem finanziere die Stadt ja nicht die ganze Veranstaltung – 14 Prozent des Budgets seien es lediglich, der Rest komme vom Land, vom Bund und von Sponsoren. Der Eigenfinanzierungsanteil liege bei 30 Prozent und solle in Zukunft natürlich steigen. Klar sei dieser bei den Wagner-Festspielen höher, doch die „haben zweitausend Sitze im Festspielhaus, mehr Aufführungen und sind schließlich mit fast 150 Jahren Geschichte anders etabliert“.
Lukas freue es außerdem sehr, dass der Bezirk Oberfranken seit letztem Jahr fest dabei ist. Schließlich sei das Opernhaus ein Edelstein in Oberfranken, da sei es seiner Meinung nach richtig und wichtig, dass sich der Bezirk ebenfalls engagiert.
Wie das Opernhaus, so das Festival
Im Gegensatz zu den Wagner-Festspielen ist es bei Bayreuth Baroque übrigens – aus Kostengründen und wegen mangelnden Räumen – nicht möglich, die gesamte Probenzeit in Bayreuth anzusetzen. Stattdessen versammeln sich Sänger, Tänzer und Schauspieler in Athen, wo sie wochenlang mit Modellen von Bühneneinrichtung und Requisiten sowie lediglich einem Cembalo proben. Auch die Kostüme werden in dieser Zeit in der eigens dafür eingerichteten Schneiderei für jeden Künstler angepasst. Erst wenige Tage vor der Premiere wird die ganze Produktion in Bayreuth zusammengesetzt – ähnlich wie die Inneneinrichtung des Opernhauses, die in Italien entstand und wie ein Puzzle in Bayreuth im Innenraum angebracht wurde. Der Aufwand lohnt sich: Erst dieses Jahr wurde Bayreuth Baroque von einer Jury aus unabhängigen Feuilleton-Journalisten als bestes Festival mit dem Oper! Award ausgezeichnet.
Festival fürs Volk
Noch wissen viele Bayreutherinnen und Bayreuther oft nichts mit Bayreuth Baroque anzufangen. Das soll sich aber so bald wie möglich ändern. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, neben den vorhandenen Live-Streams auf BR.de (15.9. 18 Uhr) und arte Concert (15.9. 18 Uhr, weitere Streams 9.9., 13.9.) Open Airs oder andere Formate zu finden, bei denen interessierte Bürgerinnen und Bürger, die keine Tickets ergattern konnten, Festivalluft schnuppern können“, erzählt Clemens Lukas, nach Zukunftsplänen gefragt. Außerdem sei es ein großer Wunsch innerhalb des Teams, das Festival zu verlängern, um noch mehr Menschen die Möglichkeit zu bieten, die Aufführungen zu besuchen. „Das Festival soll und wird wachsen – und nicht nur international, sondern bei uns zuhause bekannter werden.“