BAYREUTH. Das Klinikum Bayreuth ist bekanntlich in die Jahre gekommen. Nachdem die Planungen für eine Sanierung seit langem auf Eis liegen, kommt nach einer Klinikum-Neubau-Forderung von drei OB-Kandidaten in die Sanierungsarbeiten wieder Schwung. Wie es heißt, verfallen auch Fördermittel, wenn nicht begonnen wird.
Sämtliche Planungen, die Gebäude und den Betrieb am Standort Roter Hügel auf den modernsten Stand zu bringen, seien von vorneherein auf abschnittsweise Baumaßnahmen ausgelegt gewesen, weil seinerzeit die Bayerische Staatsregierung keinen Neubau an einem anderen Standort gefördert hätte, so Klinikum-Sprecher Frank Schmälzle auf Nachfrage der Sonntagszeitung. Von einer Sanierung könne man ohnehin nicht mehr sprechen, so Frank Schmälzle weiter, da auch Gebäude neu errichtet würden, um alte zu ersetzen. Als Beispiel nennt er den ersten Bauabschnitt: Das neue OP-Zentrum ersetzt die bisherigen OP-Kapazitäten.
Professor Dr. Walter Wagner, mehr als 20 Jahre als Chefarzt der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Klinikum Bayreuth tätig, bezeichnet einen Umbau im Bestand bei laufendem Betrieb als Unfug. „Ich persönlich und ein großer Teil meiner Chefarztkollegen waren damals für einen Neubau“, sagt er im Gespräch mit der Sonntagszeitung. „Seit zehn Jahren wird nun geplant, die Ergebnisse inzwischen längst überholt, weil sich die Medizin stetig weiterentwickelt und auch die Ansprüche der Patienten höher werden. Außerdem betreffen die Sanierungsarbeiten nur 60 Prozent des Hauses, 40 Prozent werden im alten Zustand verbleiben“.
Professor Dr. Klaus Henneking ist seit drei Jahren im Ruhestand und war zuvor 18 Jahre lang Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie und 13 Jahre lang Ärztlicher Direktor des Klinikums. Er steht einer Sanierung bei laufendem Betrieb ebenfalls skeptisch gegenüber und sieht erhebliche Umsatzeinbußen. „Während meiner aktiven Zeit erwirtschaftete das Klinikum 200 Millionen Euro Umsatz“, sagt er. „Man geht davon aus, dass es während einer Bauphase zu einem Rückgang von fünf Prozent kommt, weil einfach Patienten wegbleiben. Ich kann nur die mir bekannten damaligen Zahlen zugrunde legen, danach würden sich die Einbußen auf zehn Millionen Euro pro Jahr belaufen.“ Professor Walter Wagner sorgt sich auch um die für die Gesamtfinanzierung eines Krankenhausbetriebes überaus notwendigen Privatpatienten, die nach seiner Meinung auf andere Kliniken in der Region ausweichen werden. Der bisher genannte Zeitraum von 20 Jahren für die Klinik-Sanierung ist für Prof. Henneking unerklärlich: „Wer macht solche Aussagen?“ Prof. Wagner wird deutlicher: „Das ist ein Witz. Sämtliche sicherheitstechnischen Betriebseinrichtungen, beispielsweise Brandschutz, Heizung, Lüftung, Elektro und Sanitär, müssen während der gesamten An- und Umbauphase für die Nutzer gewährleistet sein, Beeinträchtigungen der Mitarbeiter und der Patienten müssen vermieden werden. Wie will man das Dröhnen eines Presslufthammers unterbinden?“ Eine Garantie, dass nach der Sanierung der Betrieb rund läuft, gebe es nicht, so Prof. Henneking: „Vor sieben Jahren hatten wir einen OP-Saal saniert, der bis heute nicht benutzt werden kann, weil der Raum von Schmetterlingsmücken befallen ist. Was wird uns erwarten, wenn wir neue OP-Säle an alte andocken?“ Eine Kostenexplosion bei der Klinik-Sanierung am Roten Hügel erwarten beide Mediziner. „Bei ersten Planungen ist man von 200 Millionen Euro ausgegangen, jetzt sind es schon 300 Millionen“, so Prof. Wagner, „wenn man laufende Preissteigerungen mitberücksichtigt, werden am Ende gar 500 Millionen Euro auf der Schlussabrechnung stehen. Dann werden auch die Zuschüsse neu verhandelt werden müssen.“ Prof. Henneking nennt als Beispiel den Umbau der Stadthalle zum Friedrichsforum. Bei einer Sanierung alter Gebäude sind die Kosten kaum eingrenzbar. Erheblicher Nachteil bei der geplanten Klinik-Sanierung ist für Prof. Henneking, dass die Funktionsräume unangetastet bleiben. „Nuklearmedizin, Gastroenterologie, Dialyse oder Radiologie verbleiben im alten Zustand“, sagt er, „neu gebaut werden die Gynäkologie und ein Teil der Kinderklinik“. Den Bau eines neuen Bettenhauses hält Prof. Henneking für unbedingt und schnell erforderlich: „Die Zimmer auf den normalen Stationen verfügen über keine Nasszellen. Den dortigen Patienten stehen pro Station zwei Duschen auf dem Gang zur Verfügung. Diese sind so klein, dass sich ein gewichtiger Mensch darin kaum drehen kann.“ Eine Rückzahlung von bereits für den Standort Krankenhaus Hohe Warte erhaltener Fördermittel bei einem Klinik-Neubau befürchten weder Wagner noch Henneking. „Im Gegenteil“, so Prof. Wagner, „für die Hohe Warte ergebe sich sogar eine besondere Chance. Wir haben dort jetzt eine Fachklinik für Schädel-/Hirn-Trauma und ein Zentrum für die Behandlung von Querschnittslähmungen. Diese Bereiche können ausgebaut und Bayreuth so zu einer führenden Spezialklinik werden. Nur weil sich manche stur stellen und mit dem Kopf durch die Wand wollten, leide der Gesundheitsstandort Bayreuth und letztendlich die Patienten.“ Ein Vorzeigebeispiel ist für den früheren Chefarzt das Universitätsklinikum Leipzig: „Von den ersten Planungen bis zur Inbetriebnahme sind nur fünf Jahre vergangen!“ Das von der Sonntagszeitung befragte Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erklärte, dass die mit der Krankenhausträgerin – die Klinikum Bayreuth GmbH – einvernehmlich abgestimmte Sanierungsplanung weiterhin befürwortet wird. Klar ist: Das zwischen Krankenhausträgerin und Förderbehörden entwickelte zielplanerische Konzept ermögliche eine umfassende Strukturbereinigung am Klinikum Bayreuth. Auch würden erhebliche staatliche Investitionen, die am Klinikum und am Krankenhaus Hohe Warte bereits getätigt wurden, bei einer Verlegung des Standortes entwertet. Gleiches gilt auch für künftige staatliche Investitionen im Hinblick auf die Etablierung der universitären Einrichtungen. Ein In-Frage-Stellen der Sanierungslösung würde erneut zu erheblichen Verzögerungen führen und die Bereinigung der seit Langem bekannten Defizite weiter hinausschieben. Klar ist aber auch: Schon der erste Bauabschnitt, der vor allem eine erheblich erweiterte Operationsabteilung umfasst, ist ein vollständiger Neubau. Und auch die weiteren Bauabschnitte, die im Konzept folgen sollen, stellen Neubauteile dar, mit denen bestehende Gebäude abgelöst werden sollen. Die Klinikträgerin – die Klinikum Bayreuth GmbH – spricht deshalb nicht ganz zu Unrecht von einem Neubau auf Raten. Angesprochen auf ein aktuelles Schreiben des Staatsministeriums an Landrat Hermann Hübner, Aufsichtsratsvorsitzender der Klinikum Bayreuth GmbH, antwortete das Ministerium: „Im genannten Schreiben hat das Gesundheitsministerium ausschließlich den Sachverhalt erläutert und nicht vorgegeben, wie die Angelegenheit zu behandeln ist.“ gmu