BAYREUTH.
Noch im September 2019 wurde Bayreuth als fahrradfreundliche Stadt ausgezeichnet. Wie das passieren konnte, sei Andreas Zippel (SPD) allerdings unverständlich, sagt er im Gespräch mit der Bürgerinitiative Radentscheid Bayreuth.
„Das Radwegenetz muss noch umfangreicher und sicherer werden“, beurteilt Zippel. Und auch unter den anderen Kandidat*innen scheint große Einigkeit zu herrschen, dass Bayreuth zukünftig mehr in Fahrradinfrastruktur investieren soll. In der Vergangenheit wären zwar schon diverse Verbesserungen durchgeführt worden, „Wir sind aber noch lange nicht am Ziel“, so Thomas Ebersberger (CSU).
Auch Gerd-Dieter Meier (Die Unabhängigen) und Klaus Wührl-Struller (Grüne) äußern sich positiv. Brigitte Merk-Erbe (BG) verweist hingegen vor allem auf das bereits vom Stadtrat beschlossene Radverkehrskonzept und seine schrittweise Umsetzung. Verbesserungsbedarf räumt allerdings auch sie ein: „Die Verbesserung der Radverkehrsinfrastruktur kann als Daueraufgabe bezeichnet werden.“ Eine solche Einigkeit ist bemerkenswert – gerade in einer Stadt, die wie viele andere Kommunen ihre Verkehrspolitik über Jahrzehnte dem Automobil verschrieben hat. Erklären lässt sich dieser Konsens allerdings nicht nur mit wachsendem politischen Druck, die Verkehrswende voranzubringen; „Es existieren auch sehr gute Argumente für einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik“, meint Saskia Seibert, Vertreterin des
Radentscheids Bayreuth. Fahrrad- und Fußverkehr zu ignorieren kostet mehr, als es nutzt. So kostet die Marginalisierung von Fahrradfahrenden vor allem Geld. Laut einer aktuellen Studie der Universität Kassel liegen die externen Kosten des PKW-Verkehrs in den Städten Kassel, Bremen und Kiel zwischen 5 und 9 Cent pro Kilometer. Diese externen Kosten setzen sich zusammen aus Faktoren wie Unfallkosten, Lärmbelästigungskosten und Klimafolgekosten. In Bayreuth werden pro Tag 1.000.000 Personenkilometer im PKW zurückgelegt. Dabei sitzen etwa 1,5 Personen in einem Bayreuther Auto.
„Wenn die externen Kosten ähnlich hoch wie in oben genannten Städten sind, betragen die gesamtgesellschaftlichen Kosten, welche Bayreuther Autofahrer verursachen, grob überschlagen zwischen 30.000 und 60.000 Euro pro Tag“, rechnet Daniel Brunnabend vor, Vertreter und Gründer des Radentscheids Bayreuth. Schafft man mit sicheren und einladenden Radwegen Anreize, auf das Fahrrad umzusatteln, lassen sich diese Kosten nicht nur reduzieren – es entstehen sogar andere positive Nebeneffekte: Dazu stellt das Forschungsprojekt aus Kassel etwa den Gesundheitsnutzen hervor. Entscheiden sich mehr Menschen dazu, sich mit dem Rad oder zu Fuß fortzubewegen, leben diese gesünder, was wiederum gesamtgesellschaftlich positive Auswirkungen hat. In Summe bedeutet diese Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen verschiedener infrastruktureller Maßnahmen: „Von mehr Infrastruktur für Rad- und Fußverkehr sowie ÖPNV profitieren alle – auch diejenigen, die auf das Auto angewiesen sind“, fasst Jakob Ortmann zusammen, Mitgründer des Radentscheids Bayreuth. Verkehrsflächen: Lebensqualität wächst nicht mit höherer Anzahl an Autospuren. Wie eine erfolgreiche Verkehrspolitik aussehen kann, machen bereits andere Städte vor. So hat sich unter Fachleuten längst der Begriff „Kopenhagenisierung“ etabliert. Gemeint sind damit infrastrukturelle Maßnahmen nach dem Vorbild von Kopenhagen, welche nicht das Auto, sondern den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Demnach sollte die Frage der Verkehrsplanung nicht lauten: „Welche Kapazität können wir für Autos bereitstellen?“, sondern viel eher welche Kapazität man für Menschen bereitstellen kann und wie diese sich fortbewegen. Und wie man schwache Verkehrsteilnehmende am besten schützt. Kurzum: Es ist eine Frage der Nutzenmaximierung, an deren Ende mehr Lebensqualität stehen soll. „Verkehrspolitik darf nicht verkommen zu einer isolierten Betrachtung eines vereinzelten Teilbereichs unseres Lebens, sondern muss alle Verkehrsteilnehmende und ihre Bedürfnisse im Blick haben“, fordert Roland Sack, Verteter und Mitgründer des Radentscheids Bayreuth. Dass Bayreuth angesichts solcher Vorbilder sehr großen Verbesserungsbedarf hat, wissen offenbar nicht nur die Bayreuther OB-Kandidat*innen. Mit 10 konkreten Forderungen sammelt die Bürgerinitiative Radentscheid Bayreuth aktuell Unterschriften, um den zukünftigen Stadtrat dazu zu bewegen, über die Planungen des bestehenden Radverkehrskonzeptes hinaus weitere Maßnahmen umzusetzen. Damit ist der Radentscheid Bayreuth Teil einer deutschlandweit wachsenden Bewegung, die auch in Bayreuth immer mehr Anhänger findet - schon im Mai soll die nötige Unterschriftenzahl für das Bürgerbegehren erreicht sein.