BAYREUTH.
Die Schutzmaßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie bringen vielfältige Rechtsfragen mit sich. Diese betreffen sowohl deren Ausgestaltung auf Basis des Infektionsschutzrechts als auch die Folgen, insbesondere für Arbeitsverträge und Verträge am Markt. Hierzu leisten Bayreuther Rechtswissenschaftler in der neuesten Ausgabe der am meisten verbreiteten deutschen juristischen Fachzeitschrift ‚Neue Juristische Wochenschrift‘ einen ersten wichtigen Beitrag.
Eine Analyse zu den Änderungen des Infektionsschutzgesetzes vom 27. März 2020 nimmt Prof. Dr. Stephan Rixen vor. Das Gesetz bringe eine Ausweitung der staatlichen Befugnisse für die Bekämpfung von Pandemien im Rahmen der Bekämpfung von Covid-19 und künftiger Infektionslagen. „Entscheidend ist“, so Rixen, „dass die notwendig weiten Spielräume der Behörden zu einer effektiven Krankheitsbekämpfung den Anforderungen an rechtsstaatliche Garantien und Grundrechte genügen. Fehlende Bestimmtheit darf dabei nicht zulasten der Bürgerinnen und Bürger gehen.“ Auch müssten bei der Auslegung der Tatbestände die für Gesetze allgemein anerkannten Auslegungsmethoden gewahrt bleiben. Rixen hat an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Öffentliches Recht I – Öffentliches Recht, Sozialwirtschafts- und Gesundheitsrecht – inne.
„Für Arbeitsverhältnisse steht der Gesetzgeber vor dem Zielkonflikt aus Infektionsschutz und Kontinuität der Arbeitsprozesse“, betont Prof. Dr. Adam Sagan. So müsse der Arbeitnehmer ausnahmsweise eine Erkrankung am Virus dem Arbeitgeber mitteilen, während anlasslose Kontrollen am Werkstor unzulässig seien. Besonders gefährdeten Arbeitnehmern könne ein Arbeitsweg in öffentlichen Verkehrsmitteln unter Umständen nicht mehr zuzumuten sein. Sagan, MJur (Oxon), ist Lehrstuhlinhaber Zivilrecht II an der Universität Bayreuth.
Co-Autor Marius Brockfeld ergänzt zum Thema Betriebsschließungen und Entgeltfortzahlung „Wird der Betrieb wegen Unterbrechung von Lieferketten oder Erkrankung zu vieler Arbeitnehmer geschlossen, bleibt es in der Regel bei der Entgeltfortzahlung.“ Bei Schließungen durch behördliche Anordnung liege das Risiko hingegen ganz überwiegend nicht beim Arbeitgeber, sodass dieser Löhne und Gehälter nicht fortzahlen müsse. In diesem Fall sei der Sozialstaat gefragt, mit dem Kurzarbeitergeld einzuspringen. Brockfeld ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Zivilrecht II.
Die daraus folgenden finanziellen Belastungen vor allem für Verbraucher aber auch für Kleinstunternehmer haben den Gesetzgeber zum Erlass vorübergehender Sonderregeln für wirtschaftlich besonders gefährdete Schuldner geführt. „Verbraucher und Kleinstunternehmer in einer schweren wirtschaftlichen Notlage wegen der Covid-19-Pandemie können bei besonders wichtigen Dauerverträgen Zahlungen vorübergehend verweigern, obwohl sie die Leistungen weiter beziehen und auch erhalten müssen“, erläutert Dr. Christina Möllnitz. Das gelte insbesondere für Pflichtversicherungen, Strom, Gas und Telekommunikation sowie bei Verbrauchern auch für Darlehen. Die Zahlungen müssten dann später geleistet werden, weil das neue Gesetz nur die Krisenmonate überbrücken solle. Möllnitz ist Postdoc und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bayreuther Lehrstuhl Zivilrecht IX.
„Für Mieten von Wohnungen und Geschäftsräumen“, erläutert Co-Autor Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel verärgert, „hat es viele fehlerhafte Berichte zum Inhalt der Neuregelung gegeben.“ Insbesondere sei es Mietern gerade nicht gestattet, Mietzahlungen auszusetzen. Lediglich eine Kündigung wegen Zahlungsrückständen müssten sie vorübergehend nicht fürchten. „Die Neuregelung ist eine typische gesetzgeberische Notmaßnahme in der Krise und die Auslegung daher teilweise noch unsicher“, so Schmidt-Kessel; allerdings ließen sich mit der Neuregelung vernünftige Ergebnisse erzielen. Schmidt-Kessel hat an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Deutsches und Europäisches Verbraucherrecht und Privatrecht sowie Rechtsvergleichung inne.