Die Städtische Wirtschaftsschule in Bayreuth wird ab dem Schuljahr 2024/25 erstmals eine fünfte Klasse bekommen. Das hat der Bayreuther Stadtrat am Mittwoch (20. März 2023) beschlossen - nach einem klassischen Showdown mit namentlicher Abstimmung.
Dieser Entscheidung vorausgegangen ist ein fraktionsübergreifender Dringlichkeitsantrag der Stadträtinnen Angelique Lautner (Bayreuther Gemeinschaft), Luisa Funke-Barjak (FDP) und Dr. Silke Launert (CSU). Letztgenannte fehlte bei der Stadtratssitzung.
Es war eine kontroverse Diskussion. Der kleinste, weil wohl einzige gemeinsame Nenner in beiden Lagern: Das Wohl der Kinder. Auf deren Rücken dürfe keine Schulpolitik ausgetragen werden.
Aktuell können Schüler die Wirtschaftsschule erst ab der 6. Klasse besuchen. Vorher ist das fünfte Schuljahr auf Gymnasium, Realschule oder Mittelschule notwendig. Das wird sich ab dem kommenden Schuljahr ändern. Kinder sollen nicht innerhalb eines Jahres zwei Schulwechsel meistern müssen, zudem trage die Schule in städtischer Trägerschaft zur Integration von Schülern mit Migrationshintergrund bei.
Der Stadtrat folgte dem Vorschlag des Haupt- und Finanzausschusses von Anfang März – entgegen dem Bestreben von Oberbürgermeister Thomas Ebersberger. Der sah keine Sicherheit gegen Mehrkosten ab dem zweiten Jahr der fünften Klasse – zumal ein Teil des Schulgebäudes eigentlich längst baufällig ist Unterm Strich sehe er leider mehr Gegenargumente.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Bauske, selbst Lehrer und Gegner des bayerischen Schulversuchs und damit der Einführung einer 5. Klasse, störte sich an einer fehlenden Kostenschätzung Ebersbergers. Dieser darauf: Eine seriöse Kostenschätzung sei nicht möglich, da die Entwicklung der Schülerzahlen schlicht nicht vorhersehbar sei. Dieser Punkt rief auch Dr. Wolfgang Gruber (DU) auf den Plan; anders als Bauske ein Befürworter des Projekts: Für einen Sparzwang bei Kindern brauche man schon „verdammt gute Gründe“ – zumal Zahlen für ein mögliches Einsparpotenzial gar nicht vorlägen. Eine Kostensteigerung bei der Städtischen Wirtschaftsschule mit einer fünften Klasse nannte Gruber „sehr fiktiv“.
Stefan Schuh, dritter Bürgermeister und zugleich zuständig für das Ressort Bildung, lehnte die Einführung der 5. Klasse ab. Er empfahl dem Stadtrat, dem ursprünglichen Verwaltungsvorschlag des Haupt- und Finanzausschusses zuzustimmen.
„Da muss ich schlucken“; sagte daraufhin BG-Stadtrat Karsten Schieseck. Schulpolitik auf dem Rücken der Kinder auszutragen, löste bei ihm Kopfschütteln aus. Und in Richtung des Oberbürgermeisters: Keine konkrete Zahlen vorzuweisen sei ein Armutszeugnis. Sein Fraktionskollege Stephan Müller sprang ihm bei. Es sei ein Unding, als Schulbürgermeister die Möglichkeit einer 5. Klasse abzulehnen. Gegen den OB setzte er die nächste Spitze: Eindampfen wolle dieser die Wirtschaftsschule – was Ebersberger postwendend abstritt.
Dr. Christoph Rabenstein, ein Meinungswechsler von Gegner in Befürworter der 5. Klasse an der Wirtschaftsklasse, stellte als einer der letzten Redner fest: „Bayerische Schulpolitik wird nicht im Bayreuther Stadtrat gemacht.” Er hält die 5. Klasse für zukunftsfähig. Und, bereits öfter an diesem Tag gehört: „Es geht um das Wohl des Kindes.“
Nach über einer Stunde Diskussion steuerte die Debatte ihrem Höhepunkt entgegen: Erst wurde die Liste der Redner geschlossen, dann beantragte OB Ebersberger eine namentliche Abstimmung. „Ja“ für die 5. Klasse, „Nein“ gegen deren Einführung. Die Befürworter der 5. Klasse behielten mit 25 zu 16 Stimmen die Oberhand.
CSU
Oberbürgermeister Thomas Ebersberger: Nein
Dr. Stefan Specht: Nein
Ingrid Heinritzi-Martin: Nein
Stephanie Kollmer: Nein
Mirko Matros: Nein
Helmut Parzen: Nein
Prof. Dr. Wolfgang Wagner: Nein
Christian Wedlich: Nein
Franz-Peter Wild: Nein
Dr. Silke Launert: Abwesend
SPD
Thomas Bauske: Nein
Jörg Grieshammer: Ja
Oliver Ponsel: Ja
Dr. Christoph Rabenstein: Ja
Halil Tasdelen: Ja
Siegfried Zerrenner: Ja
Dr. Andreas Zippel: Nein
Eckhard Sabarth: Nein
Bündnis 90/DIE GRÜNEN
Sabine Steininger: Ja
Filiz Durak: Ja
Stefan Schlags: Nein
Johanna Schmidtmann: Ja
Dr. Klaus Wührl-Struller: Ja
Xhavit Mustafa: Ja
Louisa Hübner: Abwesend
Bayreuther Gemeinschaft:
Stephan Müller: Ja
Angelique Lautner: Ja
Frank Hofmann: Ja
Georg Kämpf: Ja
Dr. Torsten Lange: Ja
Dr. Stefan Sammet: Ja
Karsten Schieseck: Ja
FDP/DU/Frauenliste
Gert-Dieter Meier: Ja
Luisa Funke-Barjak: Ja
Dr. Wolfgang Gruber: Ja
Nina Hellbach: Ja
Dr. Stephan Huttner: Ja
Junges Bayreuth:
Christopher Süss: Ja
Stefan Schuh: Nein
Christian Schuh: Abwesend
Fraktionslose AfD-Stadträte:
Tina Seyffert-Reinhold: Ja
Tobias Peterka: Abwesend
Wichtige Voraussetzung, damit der Stadtrat dem Anliegen der drei Antragstellerinnen folgen konnte: Es müsse bei einer fünften Klasse bleiben, die neu dazukommt, die Zahl aller Klassen an der Wirtschaftsschule bleibt bei 13 gedeckelt. Und, ganz wichtig: Mit der zusätzlichen Klasse dürfen für die Stadt Bayreuth als Träger keine zusätzlichen Kosten entstehen. Nach rund einer Stunde teils kontroverser Diskussion stand fest: Die 5. Klasse an der Städtischen Wirtschaftsschule wird kommen.
Hintergrund der Entscheidung pro 5. Klasse ist ein bayernweites Projekt zur Einrichtung einer solchen Klasse an Wirtschaftsschulen. Alle staatlichen und privaten Wirtschaftsschulen werden dies tun, ebenso bereits 11 von 15 städtischen Wirtschaftsschulen im Freistaat. In Bayreuth kommt ab September eine weitere hinzu.