Forscher der Universität Bayreuth haben die erste umfassende Studie zu geschlechtsspezifischen Unterschieden beim Laufen unter Berücksichtigung verschiedener Schuh- und Geschwindigkeitsbedingungen durchgeführt. Sie tragen damit zu einer optimierten Entwicklung von Sportschuhen bei. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im Journal Bioengineering.
Die Entwicklung und Prüfung von Sportprodukten wie Schuhen basieren in der Regel auf männlichen Testpersonen. Allerdings beeinflussen die Eigenschaften von Sportschuhen maßgeblich den Tragekomfort, die Leistungsfähigkeit und die Belastung des Bewegungsapparates. Um für Frauen passende Laufschuhe entwickeln zu können, bedarf es einer umfassenden Untersuchung des Bewegungsablaufs und Laufstils beider Geschlechter.
Zahlreiche geschlechtsspezifische Unterschiede beim Ausdauerlauf sind bereits gut erforscht, beispielsweise die Laufbiomechanik, der Energieverbrauch oder das Auftreten von typischen Verletzungen bei Läufern und Läuferinnen. Bekannt ist zudem, dass die Eigenschaften des Laufschuhs – beispielsweise Gewicht, Härtegrad der Schuhsohle und Biegsamkeit – einen maßgeblichen Einfluss auf den Bewegungsablauf haben. Allerdings gibt es bislang keine Studie, die die Auswirkungen unterschiedlicher Laufschuhe auf die biomechanischen Bewegungsabläufe zwischen Männern und Frauen verglichen hat.
Dieser Fragestellung haben sich Doktorand Tizian Scharl, Dr.-Ing. Michael Frisch und Prof. Dr. Franz Konstantin Fuss vom Lehrstuhl für Biomechanik der Universität Bayreuth angenommen. Sie haben Läufe von 19 Probandinnen und 18 Probanden im Alter von 20 bis 45 Jahren, die wöchentlich mindestens 12 Kilometer laufen, mithilfe von 3D-Motion-Capture-Kameras und Kraftmessplatten aufgezeichnet. Die Studienteilnehmenden absolvierten die Läufe sowohl barfuß als auch mit sieben zur Verfügung gestellten Laufschuhen, darunter Barfußschuhe mit sehr dünner Sohle, Performance-Laufschuhe mit integrierter Carbonsohle und die persönlichen Laufschuhe der Freizeitläuferinnen und -läufer. Zusätzlich zu den biomechanischen Daten wurden die Probandinnen und Probanden gebeten, die Schuhe in den Kategorien Komfort, Performance und Belastungsempfinden zu bewerten.
„In unserer Studie konnten wir zeigen, dass es in der Laufbiomechanik zahlreiche Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Freizeitläufern gibt. Einige dieser Unterschiede bleiben konstant über alle Schuhbedingungen bestehen, während andere von der individuellen Laufgeschwindigkeit und den Schuheigenschaften abhängen. Beide Geschlechter reagieren außerdem unterschiedlich auf Variationen in den Schuheigenschaften“, sagt Scharl, Erstautor der Studie. Beispielsweise sind geschlechtsspezifische Unterschiede der Beckenausrichtung über alle Laufschuhe hinweg konstant geblieben, während die Geschwindigkeit der Ausrichtung des Fußes und des Sprunggelenks von den Eigenschaften der Laufschuhe beeinflusst wurde. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede waren für den getesteten Standardlaufschuh am geringsten. Zudem haben die Forscher Hinweise darauf gefunden, dass die Probandinnen in ihren persönlichen Laufschuhen am effizientesten laufen: ohne übermäßige Belastung der Gelenke. Die Bewertung der einzelnen Laufschuhe durch die Teilnehmenden ergab außerdem eine geringere Bandbreite an akzeptablen Schuheigenschaften für Frauen.
„Die Erkenntnisse der Studie helfen uns, geschlechtsspezifische Unterschiede besser zu verstehen und für eine geschlechtersensible Schuhentwicklung zu nutzen. Gemeinsam mit unseren Forschungspartnern Fraunhofer IPA und PUMA werden wir auch in Zukunft an der geschlechtersensiblen Erfassung, Analyse und Nutzung von Bewegungsdaten im Laufsport und Fußball arbeiten“, so Scharl.
Das Forschungsprojekt wurde von PUMA gefördert.
Originalpublikation: Gender Differences in the Dynamics and Kinematics of Running and Their Dependence on Footwear. Tizian Scharl, Michael Frisch and Franz Konstantin Fuss. Bioengineering (2024)
DOI: https://doi.org/10.3390/bioengineering11121261