Veröffentlicht am 23.04.2024 09:22
Veröffentlicht am 23.04.2024 09:22

NS-Dokumentationszentrum in Bayreuth wackelt

Früher Wohnhaus des NS-Vordenkers Chamberlain, heute Jean-Paul-Museum und Kulturamt. Ob in der Wahnfriedstraße 1 das NS-Dokumentationszentrum verwirklicht wird, ist derzeit unsicher. (Foto: Lenkeit)
Früher Wohnhaus des NS-Vordenkers Chamberlain, heute Jean-Paul-Museum und Kulturamt. Ob in der Wahnfriedstraße 1 das NS-Dokumentationszentrum verwirklicht wird, ist derzeit unsicher. (Foto: Lenkeit)
Früher Wohnhaus des NS-Vordenkers Chamberlain, heute Jean-Paul-Museum und Kulturamt. Ob in der Wahnfriedstraße 1 das NS-Dokumentationszentrum verwirklicht wird, ist derzeit unsicher. (Foto: Lenkeit)
Früher Wohnhaus des NS-Vordenkers Chamberlain, heute Jean-Paul-Museum und Kulturamt. Ob in der Wahnfriedstraße 1 das NS-Dokumentationszentrum verwirklicht wird, ist derzeit unsicher. (Foto: Lenkeit)
Früher Wohnhaus des NS-Vordenkers Chamberlain, heute Jean-Paul-Museum und Kulturamt. Ob in der Wahnfriedstraße 1 das NS-Dokumentationszentrum verwirklicht wird, ist derzeit unsicher. (Foto: Lenkeit)

Ein NS-Dokumentationszentrum in Bayreuth. Eine Förderung von rund 88 Prozent, aufgeteilt auf zwei Häuser, die in diesem Abwasch gleich saniert werden. Das ist das Ansinnen des scheidenden Kulturreferenten Benedikt Stegmayer. Eine „Fehstelle in der Geschichtsarbeit“ Bayreuths soll damit getilgt werden. Klingt gut und ist trotzdem nicht einfach umzusetzen.

Im Kulturausschuss des Bayreuther Stadtrats hat Stegmayer am Montag (22. April 2024) das Treffen einer Grundsatzentscheidung angemahnt, damit das Projekt weitergehen könne. inbayreuth.de kündigte die Sitzung an. Gestützt wird er dabei vom Verwaltungsvorschlag. Allein: Vor diesem wichtigen Projekt gibt es in Bayreuth noch wichtigere, findet die Hälfte des Gremiums. Stichwort: Schulsanierungen. Nun steht das NS-Dokumentationszentrum, das im Gebäude des Kulturamts sowie in der Brautgasse 2 stehen soll, auf der Kippe.

Bayreuth: NS-Dokumentationszentrum auf der Kippe

Im kommenden Stadtrat am Mittwoch (24. April 2024) dürfte es zu einer knappen Entscheidung kommen. Sowohl Fortführung als auch Beerdigung des Projekts scheinen denkbar.

„Höchstattraktiv“ nennt Stegmayer die Förderungen, die winken würden. Über elf Millionen winken davon aus einem Bundesprogramm. Insgesamt ist das Projekt mit über 23,1 Millionen Euro veranschlagt, das Gros davon für die Sanierung beider Häuser. Die Stadt Bayreuth hätte nach aktuellen Stand „nur“ 2,76 Millionen Euro zu schultern. Warum also ein Grundsatzbeschluss? „Um die Förderung zu finalisieren“, sagt Stegmayer.

NS-Dokumentationszentrum kein Kann-, sondern Muss-Thema

Ein möglicher Eröffnungstermin ist freilich in weiter Ferne, eine Schätzung der Besucherzahlen, wie vom BG-Fraktionsvorsitzenden in Richtung Stegmayer erfragt, noch nicht abzuschätzen.
Für den CSU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Stefan Specht wäre es „unverantwortlich, bei dieser Förderkulisse nichts zu machen.“ Saniert werden müssten beide Häuser über kurz oder lang sowieso. Das angedachte Haus in der Brautgasse 2, Geburtshaus des früheren NS-Gauleiters Hans Schemm, hatte die Stadt erst 2022 gekauft.

Gert-Dieter Meier (Vorsitzender der DU-FDP-FL-Fraktion) springt Specht im Laufe der Diskussion bei. „Die Aufarbeitung ist kein Kann-, sondern ein Muss-Thema in Bayreuth“ und sei auch mit Sicht auf die Bayreuther Festspiele und ihre Vergangenheit wertvoll.

Sanierung Bayreuther Schulen wichtiger

Zwischen diesen Wortbeiträgen hat die Diskussion schnell an Fahrt aufgenommen. SPD-Fraktionsvorsitzender Thomas Bauske nennt das Zentrum zwar eine „tolle Lösung“, mitgehen könne die SPD dennoch nicht. Die Sanierung dieser beiden Gebäude sei nicht dringlich, im Zweifelsfall könnten sanierungsbedürftige Schulen hinten runterfallen. Ein Zentrum an genau jenen beiden Orten sei lediglich ein „Nice to have“.

Konzept wichtiger als Gebäude

Stefan Schlags (Grüne) ist, wie seine Fraktion, ebenfalls gegen das Projekt. Ein gutes Konzept sei wichtiger als ein gutes Gebäude. Schlags mahnt an, dass nach dem baldigen Weggang Stegmayers erst dessen Nachfolge im Kulturbereich geklärt werden müsste; möglichst „ohne das Projekt als Rucksack mitzugeben.“ Fraktionskollege Klaus Wührl-Struller mahnt an, kein Denkmal für Houston Stewart Chamberlain, Schwiegersohn von Richard Wagner und antisemitischer Vordenker der NS-Rassenlehre, zu errichten. Dass Erinnerung auch ohne Gebäude funktioniere zeige das Holocaust-Mahnmal am Sternplatz oder der Förderverein Industriemuseum Bayreuth.


Dieses Ansinnen vertritt auch die Fraktion der Bayreuther Gemeinschaft. „Wir haben sehr wohl eine Erinnerungskultur“, sagt der Vorsitzende Stephan Müller. Zumal in der Bayreuther Vergangenheit Chamberlain durch Neubenennung einer Straße sowie Aufhebung des Grabes aus dem Stadtbild bestmöglich getilgt wurde. „Wieso sprechen wir bei diesem Gebäude immer wieder über das Chamberlainhaus, wenn dort heute das Kulturamt untergebracht ist?“, fragt er in die Runde.

Nachdem die Diskussion schon eine gute Stunde lang läuft, ist es Oberbürger Thomas Ebersberger, der das Wort ergreift – und zu bedenken gibt, dass bei einer Beerdigung des Projekts die 11,5-Millionen-Förderung aus Bundesmitteln zurückgegeben werden müsse. Die finanzielle Belastung für die Stadt würde bleiben, da der Sanierungsbedarf ebenfalls bleiben würde – nur dann eben ohne eine derart hohe Förderung.

Befürworter und Gegner des Grundsatzbeschlusses halten sich die Waage

Bayreuther Gemeinschaft, Grüne und SPD stimmen gegen den Verwaltungsvorschlag, dem Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zu empfehlen. CSU, DU/FDP sowie Junges Bayreuth sind dafür, heißt: Patt bei acht zu acht Stimmen. Das letzte Wort wird der Stadtrat morgen sprechen – sicher nicht ohne vorherige Diskussion.

Dass im Falle einer Fortführung des Projekts das Jean-Paul-Museum aus dem Kulturamtsgebäude in der Wahnfriedstraße ein paar Meter weiter ins Gebäude des Franz-Liszt-Museums ziehen würde statt wie bisher angedacht ins Wohn- und Sterbehaus Jean Pauls in der Friedrichstraße 5, wird bei der getrennten Abstimmung einstimmig befürwortet. Aber das bleibt nicht mehr als eine Randnotiz.


Von Jürgen Lenkeit
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