Veröffentlicht am 25.11.2022 11:30

„One-Love”-Binde in Katar: Bayreuther Marketing-Experte hätte „mehr Rückgrat gewünscht”

Prof. Tim Ströbel ist Inhaber der Professur für Marketing & Sportmanagement der Uni Bayreuth. (Foto: pixabay/3844328)
Prof. Tim Ströbel ist Inhaber der Professur für Marketing & Sportmanagement der Uni Bayreuth. (Foto: pixabay/3844328)
Prof. Tim Ströbel ist Inhaber der Professur für Marketing & Sportmanagement der Uni Bayreuth. (Foto: pixabay/3844328)
Prof. Tim Ströbel ist Inhaber der Professur für Marketing & Sportmanagement der Uni Bayreuth. (Foto: pixabay/3844328)
Prof. Tim Ströbel ist Inhaber der Professur für Marketing & Sportmanagement der Uni Bayreuth. (Foto: pixabay/3844328)

BAYREUTH. Die Fußball-WM in Katar läuft. Seit einigen Tagen spielen 32 Teams im Emirat auf der arabischen Halbinsel den neuen Weltmeister aus. Die WM mit ihrem Gastgeber Katar ist hochumstritten: Diskussionen um Sklaverei und Tote auf WM-Baustellen gibt es bereits seit Jahren. Nun erhalten Kritiker fast täglich neue Munition. Westliche Stars des Showgeschäfts machten aus Imagegründen bereits um die Eröffnungsfeier einen großen Bogen. Zuletzt sorgte das FIFA-Verbot der „One Love“-Kapitänsbinde für Empörung.

Schadet die WM in Katar westlichen Unternehmen, die bei dem Event als Sponsor auftreten oder in einer anderen Form mit dem Großereignis in Verbindung gebracht werden? Prof. Tim Ströbel von der Uni Bayreuth bezieht zu diesen Überlegungen Stellung. Er hat in Bayreuth die Professur für Marketing und Sportmanagement inne.

Katar-Sponsoring: Kritik an Unternehmen

Ströbel macht eine wichtige Unterscheidung: „Katar ist nicht gleich die FIFA. Die Sponsorenverträge bestehen mit dem Fußballverband, nicht mit dem Emirat. Zumeist sind diese Verträge langfristig angelegt.“ Die WM wurde bereits 2010 an Katar vergeben. „Gerade westliche Unternehmen, die für Menschenrechte und Vielfalt einstehen, hatten also lange Zeit, Pro und Contra abzuwägen – und sich für mögliche Kritik zu wappnen.“ Grundsätzlich gelte es zu beachten: Auf einer Weltbühne wie einer Fußball-WM tummeln sich auch nur potente Weltmarken – unabhängig davon, ob die WM in Deutschland, Brasilien oder im Emirat Katar stattfindet. Auch interessant: Zwei Bayreuther Fußball-Funktionäre sprechen im Zusammenhang mit der Fußball-WM in Katar von „Perversität” und „Doppelmoral”.

Laut Ströbel gebe es unterschiedliche Gründe für ein Sponsoring der WM. Einer sei wirtschaftlicher Natur. „Die arabische Halbinsel mit reichen Nationen ist ein potenzieller Wachstumsmarkt, zum Beispiel für Autokonzerne. Diese Tatsache ist ein wichtiges Argument bei Gedankenspielen rund ums Sponsoring. „Dann versprechen sich Unternehmen strategisch langfristig einen wirtschaftlichen Mehrwert.“ Zum Thema Sport-Vermarktung: In Bayreuth wurde in dieser Woche die Idee einer Videowall an der Oberfrankenhalle begraben.

WM in Katar: Imageverlust gegen Umsatzgewinn riskieren?

Kurzfristig seien FIFA-Sponsoren nicht auf einen sprunghaften Anstieg der Erlöse angewiesen. Eine noch größere Bekanntheit der Marke ist kein vorrangiges Ziel. Als Beispiel nennt Ströbel Coca-Cola. „Da geht es eher darum, positive Emotionen von packenden Spielen auf den Trinkgenuss zu übertragen. Coca-Cola ist ohnehin wahrscheinlich nahezu 100 Prozent der Weltbevölkerung ein Begriff.“

Ob man als Sponsor mit einem aufgeklärten Verständnis von Menschenrechten einen Imageschaden bewusst in Kauf nimmt, wenn der wirtschaftliche Zugewinn stimmt? Ströbel schließt das nicht grundsätzlich aus. „Das kann als kurzfristiges Ziel funktionieren. Langfristig würde solch ein Engagement wohl eher Nachteile für das Markenbild mit sich bringen.“

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Deutschland verzichtet in Katar auf „One Love“-Binde

Auch das Verbot der „One Love“-Kapitänsbinde für sieben europäische Nationen beobachtet Ströbel aufmerksam – aus Marketing- und Fan-Sicht. Unter anderem der Deutsche Fußballbund (DFB) hat der FIFA jedoch nachgegeben. Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff nahm in Katar unlängst gar das Wort „Zensur“ in den Mund. „Es wäre revolutionär gewesen, wenn der DFB die „One Love“-Binde durchgezogen hätte – mit allen möglichen Strafen. Ich hätte mir mehr Rückgrat vom DFB gewünscht. Am Ende hat nämlich auch die FIFA ein Interesse daran, dass die WM als Hochglanzevent ohne Punktabzüge oder gar Teamausschlüsse über die Bühne geht.“ Die Diskussion sei laut des Marketing-Experten nun aber hypothetisch. Zum Thema: Am Kulturkiosk in der Wilheminenaue wurde „wegen Schnauze voll” das Public Viewing gestrichen. Im Bayreuther Winterdorf werden die Deutschland-Spiele dagegen übertragen.

Zudem müsse das Verhalten des DFB auch in einem komplexen Interessengeflecht betrachtet werden. „Auch der Deutsche Fußballbund ist gegenüber Sponsoren verpflichtet. Sollte das Team durch Bestrafung ins sportliche Hintertreffen geraten, fehlt wiederum den DFB-Partnern die Bühne und das Interesse der Zuschauer am Fernsehen könnte schwinden“, gibt Ströbel zu bedenken. Wichtig sei, wie der Verband den Verzicht auf die „One Love“-Binde kommuniziere. „Und da macht der neue Präsident Bernd Neuendorf bisher vieles richtig.“


Von Jürgen Lenkeit
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