BAYREUTH. In wenigen Tagen beginnt die vieldiskutierte FIFA Fußball-WM Katar 2022. Neben dem Sportlichen werden auch Fragen nach Menschenrechten und demokratischen Werten diskutiert. Soll man als Fan die WM boykottieren? Würde das überhaupt etwas an der Situation im Emirat ändern?
Die Sonntagszeitung hat sich an der Basis umgehört und mit zwei Vorständen Bayreuther Fussballvereine über die WM in Katar gesprochen: Jürgen Langner vom 1.FC Bayreuth und Martin Pröhl vom TSV St. Johannis. Beide haben eine klare Meinung zur Fußball-WM in Katar. Beide wollen sich zumindest die Spiele der deutschen Mannschaft ansehen.
„Warum soll ich als Fan etwas boykottieren, was Politiker und Funktionäre entschieden haben?“, fragt Langner. Er spricht sich klar für Bürgerrechte aus. Dazu zählt er auch Homosexualität. Dass es um diese Rechte im Emirat schlecht bestellt ist, kritisiert er.
Die Spiele der WM will er dennoch schauen. „Wenn schon intervenieren, dann hätte man das vor Jahren machen müssen, als Katar die nachweislich schlechteste Bewerbung eingereicht hat. Nun ist es für einen Boykott zu spät.“ Langner macht eine Doppelmoral im Umgang mit Katar aus. Die WM werde einerseits kritisch betrachtet, was nachvollziehbar sei. Andererseits störe sich die Politik nicht daran, Geschäfte mit dem Emirat zu machen. Auch nicht Deutschland. Gerade im Angesicht russischer Sanktionen hat Katar für Deutschland zuletzt als strategischer Energiepartner deutlich an Bedeutung gewonnen. „Das ist eine Perversität und Doppelmoral ohnegleichen“, sagt Langner unmissverständlich.
Vor allem den europäischen Ländern rechnet er großen Einfluss zu, in Katar etwas bewegen zu können – wenn sie denn wollen. „Sollten in Katar ausländische Gäste verhaftet werden, weil sie in der Öffentlichkeit ihre Homosexualität zeigen, wäre es für europäische Teams angemessen, von der WM abzureisen. Das wäre ein starkes Zeichen.“ Zu diesen Ländern zählt er vor allem die europäischen Schwergewichte wie Frankreich, Spanien, England und natürlich Deutschland.
„Aber soll ich den Fernseher abschalten, um die Situation in Katar zu ändern? Die Verträge zwischen Katar und der FIFA sind unterschrieben, das Geld fließt ohnehin bereits“, sagt der erste Mann des 1.FC Bayreuth. „Natürlich schaue ich die WM-Spiele. Die Gesetze in Katar würden sich auch nicht ändern – genauso wenig wie in Russland bei der letzten WM vor vier Jahren.“
Jürgen Langner (li.) und Martin Pröhl (re.) kritisieren die WM in Katar. Bild: Archiv/fußball.de
Martin Pröhl vom TSV St. Johannis sieht das ähnlich. Fußball ist sein großes Hobby. Über sein Engagement bei die Kanzern hinaus ist er auch Obmann der Schiedsrichtergruppe Bayreuth. „Die WM in Katar ist Gigantismus. Für Otto Normalverbraucher ist das nicht mehr nachzuvollziehen. Geld reagiert die Welt“, sagt er. Er befürchtet mit Blick auf Fußballweltmeisterschaften und Olympiaden, dass diese Entwicklung allgemein immer mehr Schule macht.
Wie Langner werde allerdings auch Pröhl sich die Spiele ansehen – wenn es denn zeitlich passt. „Das erste Spiel von Deutschland gegen Japan um 14 Uhr mitteleuropäischer Zeit muss man zeitlich erstmal schaffen.“ Sein Verein in St. Johannis bietet zusammen mit Kirche und Feuerwehr ein Public Viewing im Feuerwehrhaus St. Johannis an.
„Das ist bereits Tradition und wurde bei den vergangenen Welt- und Europameisterschaften gut angenommen.” Ob die Resonanz ähnlich groß wird wie in der Vergangenheit, kann er nicht abschätzen. „Wir sind mitten im Winter und das Biergarten-Feeling fehlt. Wie sich das nun auf die kommende WM auswirkt, bleibt abzuwarten.“
Mit Blick auf einen möglichen deutschen WM-Gewinn stellt Pröhl Überlegungen an, was das für die Nachwuchsgewinnung vor Ort bedeuten würde. „Gerade in Bayreuth, wo viele weitere interessante Sportarten wie Basketball, Handball und Eishockey um die Gunst der Jugendlichen buhlen, würde ein WM-Titel sicherlich die Interessenverhältnisse wieder Richtung Fußball verschieben.“