Veröffentlicht am 10.09.2022 16:10

Bayreuther Festspiele ohne Familie Wagner?

Bayreuther Festspiele ohne Familie Wagner? (Foto: Dörfler)
Bayreuther Festspiele ohne Familie Wagner? (Foto: Dörfler)
Bayreuther Festspiele ohne Familie Wagner? (Foto: Dörfler)
Bayreuther Festspiele ohne Familie Wagner? (Foto: Dörfler)
Bayreuther Festspiele ohne Familie Wagner? (Foto: Dörfler)

BAYREUTH. Haben die Festspiele Reformbedarf? Ja, sagt MdB Claudia Roth (Bündnis 90/ Die Grünen). Als Kulturstaatsministerin verantwortet sie die Kulturpolitik der Bundesregierung. Ende August kritisierte sie mangelnde Reformen auf dem Grünen Hügel. Auch das weitere perspektivische Mitwirken von Katharina Wagner ist für Claudia Roth keine ausgemachte Sache.

Hat die Kulturstaatsministerin Recht? Oder irrt sie komplett? Und wie kann die Rolle Katharina Wagners in Zukunft aussehen? Die Sonntagszeitung hat Entscheider rund um das Festspielhaus um deren Meinung gebeten. Auch interessant: Für die Bayreuther Festspiele 2023 wurden „vielversprechende Debüts” angekündigt.

Bayreuther Festspiele in der Kritik - zu Recht?

Thomas Ebersberger, Oberbürgermeister und Geschäftsführer der Richard-Wagner-Stiftung:

Das Publikum der unter 30-Jährigen wird wohl immer in der Minderheit sein. Mit den Festspielen im Kino und als Open-Air sind bereits wichtige Schritte getan. Claudia Roth muss sich sicherlich noch akklimatisieren und mit Wagner auseinandersetzen. Festspielbegeisterte wie die Freunde von Bayreuth haben gegenüber Politikern einen teils jahrzehntelangen „Vorsprung“ bei Wagner. Dass die Festspiele in Zukunft irgendwann auch ohne Katharina Wagner an der Spitze auskommen müssen, ist ein reales Szenario. Die gesamte Familie Wagner, nicht nur die Festspielleiterin, hat ein Vorschlagsrecht hinsichtlich der Festspielleitung. Die vier Gesellschafter (Anm.d.Red: Bund, Freistaat Bayern, Stadt Bayreuth, Gesellschaft der Freunde von Bayreuth) entscheiden dann über die Leitung.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth sieht „Reformbedarf”. Bild: Dörfler

Thomas Hacker (FDP), MdB und Mitglied im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien:

Die Aussagen von Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, haben mich sehr überrascht. Hat sie denn die Veränderungen der letzten Jahre nicht wahrgenommen? Die Bayreuther Festspiele haben sich wohl, mit Kino- und Fernsehübertragungen, einem breiten Publikum geöffnet, auch den Interessierten, die keine großen Beträge für Operntickets ausgeben wollen oder können. Ganz umsonst gibt es Open-Airs im Festspielpark. Die Künstler kommen nach draußen, gehen also auf das Publikum zu. Die alljährlich aufgeführte Kinderoper richtet sich an den Nachwuchs. Die aktuelle „Tannhäuser“-Inszenierung spricht die Diversität unserer Gesellschaft an. Ich sehe bereits zahlreiche Veränderungen hin zu einem modernen, attraktiven Theater. Die Bayreuther Festspiele liegen seit fast 150 Jahren in den Händen einer Familie. Warum sollte man dieses Alleinstellungsmerkmal ohne Not aufgeben? Ein Veränderungsprozess ist eingeleitet, dazu gehört, dass zum Programm auch Konzerte im Festspielhaus gehören und die wissenschaftliche Aufarbeitung von Operninhalten. Den Schalter von heute auf morgen umlegen, geht nicht.

Dr. Silke Launert (CSU), MdB:

Hat Claudia Roth die aktuelle „Tannhäuser“-Inszenierung gesehen? Ich denke nicht. Katharina Wagner hat den jungen Tobias Kratzer engagiert und eine solche Regiearbeit zugelassen, das ist doch ein Schritt in die gewünschte Richtung. Die Bilder auf der Bühne zeigen eine bunte Gesellschaft und sprechen sicher auch eine Klientel an, die sich für die klassische Oper sonst eher nicht interessiert. Noch moderner als mit dem „Tannhäuser“-Pausenprogramm im Festspielpark kann man Oper nicht inszenieren. So wird ein neuer Kundenkreis aufgebaut. Ich verstehe diese Kritik nicht. Man schafft es, den Spagat zu schaffen, zwischen konservativ und provokant. Vermehrt junges Publikum findet man in keinem Opernhaus der Welt. Dass die Bayreuther Festspiele von einem Familienmitglied geleitet werden, ist sicher nicht unbedingt erforderlich. Einen solchen Nimbus wirft man jedoch nicht weg. Der Familien-Mythos, der sich in den vergangenen fast 150 Jahren aufgebaut hat, sorgt für Warteschlangen und ausverkaufte Vorstellungen. Reformbedarf sehe ich allerdings in den Verwaltungsstrukturen. Es wird kompliziert, wenn zu viele Personen Entscheidungen herbeiführen müssen.

Georg von Waldenfels, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth e.V.:

Wir denken immer über eine Weiterentwicklung nach. Der Verwaltungsrat hat Katharina Wagner als Festspielleiterin gebeten, eine Vision der Festspiele der Zukunft zu entwickeln. Die soll bis zum Start der Festspiele 2023 vorliegen. Die Idee, junge Leute bei den Festspielen einzubinden, verfolgen wir schon lange. Die Kinderoper wurde zuletzt hervorragend angenommen und ist der richtige Ansatz. Junge Leute an die Oper zu führen, ist eine Daueraufgabe und nichts, was von einem Tag auf den anderen geschieht. Katharina Wagner ist eine Repräsentantin der Wagner-Dynastie. Es ist gut und schön, dass ein Mitglied der Familie die Festspiele verkörpert. Gleichwohl muss über eine tragfähige Lösung nachgedacht werden, sollte ein Mitglied der Familie Wagner nicht mehr in der Verantwortung stehen. Von Katharina Wagner selbst habe ich bisher keine Einzelheiten zu ihren beruflichen Plänen gehört. Dieses Thema werden wir im Herbst besprechen. Auch die Rolle von Katharina Wagner selbst, wird Teil der Zukunftsvision der Bayreuther Festspiele sein.


Von Jürgen Lenkeit
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