BAYREUTH. Die Bäckerei Konditorei Lang aus Bayreuth und ein Stammkunde starten eine Spendenaktion, die so bisher wohl einmalig ist. In der Bäckerei können Gutscheine gekauft werden, die für Schlosskirche und Stadtkirche bestimmt sind. Dort werden sie anonym an Bedürftige verteilt.
Am Freitag (7. Oktober 2022) überreichten der erste Spender Richard Kastner und das Bäckerpaar Thomas und Alexandra Zimmer die ersten Gutscheine an die Pfarrer Dr. Christian Karl Steger (Schlosskirche) und Dr. Carsten Brall (Stadtkirche). Alle Beteiligten hoffen nun auf möglichst viele Nachahmer, die Kastners Beispiel folgen.
Richard Kastner aus Bayreuth hat über die aktuelle Not vieler Menschen in Bayreuth nachgedacht. Er wollte einen Beitrag leisten, diese zu lindern. Also hat er gehandelt. „Wer in diesen schwierigen Zeiten geben kann, der sollte darüber nachdenken, es zu tun”, sagt er der Sonntagszeitung im Gespräch vor Ort. Er hat seine Energiepauschale in Höhe von 300 Euro bei der Bäckerei Lang in 60 Gutscheine zu je 5 Euro umgewandelt. „Ich bin glücklicherweise nicht dringend auf diese 300 Euro angewiesen. Andere Menschen brauchen das Geld dringender.” Die Genussscheine, so heißen die Gutscheine der Bäckerei Lang, gehen je zur Hälfte an die katholische Schlosskirche und die evangelische Stadtkirche. Die Pfarrer Steger und Brall haben diese dankbar entgegengenommen. Thomas Zimmer nennt die Idee seines langjährigen Kunden „besonders inspirierend”. Er betont: „Fünf Euro sind viel Geld, wenn man kaum welches hat.” Passend zum Thema Inflation: Der eigene Betrieb der Familie Zimmer kämpft unterdessen wie viele anderen Bäcker und Metzger mit immer steigenden Energiepreisen. Thomas Zimmer nahm deshalb zwei Tage zuvor an einem Krisengipfel teil.
Die Genussscheine mit je fünf Euro Einkaufswert bei der Bäckerei Lang sollen vor allem ältere Menschen und Rentner erreichen. Wichtig: Die Gutscheine werden in den beiden Kirchengemeinden anonym verteilt. Viele Menschen hätten Scham, sich als bedürftig zu demaskieren, geben die Geistlichen zu bedenken. Doch die Pfarrer unterliegen der Schweigepflicht. Auch in der Bäckerei sei beim Einlösen nicht zu erkennen, wer ein Empfänger der Kirchen sei. Dort werden Genussscheine auch mit niedrigen Beträgen regulär verkauft.
Pfarrer Steger von der Schlosskirche berichtet, dass bei der Suppe am Samstag der Kirchengemeinde die Not besonders spürbar sei. Sie werde größer. Mit einem „Vergelt's Gott” bedankte er sich für die Gabe. Sein Kollege Brell von der Stadtkirche nahm das Stichwort auf. „Alle guten Gaben” im Gebet komme nicht von ungefähr. Bei dieser Aktion sei der Sinn besonders spürbar. „Diese Gutscheine sind Geschenke. Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, diese anzunehmen”, sagt Brall.
Alexandra Zimmer lädt einen Gutschein mit fünf Euro auf. Bild: Lenkeit
Thomas Zimmer und seine Familie wollen mit dieser Spendenaktion auch ihrer eigenen Vorfahren gedenken: „Tante Frieda und Onkel Gerch”, sagt der Bäcker- und Konditormeister. Beide seien zu Lebzeiten trotz harter Arbeit arm gewesen. Dennoch seien sie zu stolz gewesen, um Nahrung geschenkt zu bekommen. Mit der Spendenaktion ihrer Bäckerei will sich die Familie Zimmer wieder ihrer Wurzeln besinnen. Gemeinsam hoffen alle Beteiligten, dass viele weitere Spender sich finden mögen. Wer im Bäckereigeschäft einkauft, kann zusätzlich Gutscheine lösen. Die gehen an die Kirchen weiter. „Jeder Betrag hilft”, betont Alexandra Zimmer. „Es müssen nicht die 300 Euro Energiepauschale sein. Wir, und vor allem die, die sich nur noch selten teurer werdende Backwaren beim Bäcker kaufen können, freuen uns von ganzem Herzen.” Auch interessant: Seit diesem Herbst erfreut sich die Bäckerei Konditorei Lang eines nicht ganz alltäglichen Azubis.